Rückblick auf das 13. Jahrestreffen

Das 13. Jahrestreffen vom 25. bis 27. September 2015 in Wernigerode

Vom 25. bis zum 27. September 2015 fand in Wernigerode das 13. Jahrestreffen der “Lebensborn”kinder statt. Es war ein besonderes Treffen, da vor zehn Jahren hier in Wernigerode der Verein “Lebensspuren e. V.” die Vereinigung der “Lebensborn”kinder in Deutschland gegründet worden war. Bisher hat sich viel getan. So ist es sicher auch ein Verdienst dieses Vereins und seiner Mitglieder, dass das Thema “Lebensborn” indessen mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. Leider sind dabei nicht alle Diskussionen und Veröffentlichungen von Sachlichkeit  geprägt und fundieren nicht auf dem vorliegenden wissenschaftlichen Kenntnisstand. Immer wieder gibt es Äußerungen zu den “Lebensborn”heimen, sie seien Bordelle oder Stätten gezielter Zusammenführung rassisch erwünschter Männer und Frauen gewesen. Die Fantasien einiger Menschen bringen sogar den Zusammenhang der künstlichen Befruchtungen mit den “nationalsozialistischen Kopulationsheimen”.  Selbst in den öffentlichen Medien von Funk und Fernsehen nehmen derartige Berichte nicht ab. Hiergegen wendet sich der Verein immer wieder in der Öffentlichkeit. Die sachliche und geschichtlich ehrliche Aufarbeitung hat sich der Lebensspuren e.V. auf die Fahnen geschrieben. Erfreulicherweise ist das Interesse der jungen Generation an diesem Thema gewachsen. In öffentlichen Veranstaltungen, in Foren mit Schülern und Studenten sowie bei der Betreuung von entsprechenden Facharbeiten und Projekten stehen immer wieder die Lebensbornkinder mit eigenen Berichten, und Informationen beratend diesen jungen Menschen zur Seite. Der Verein konnte daher in diesem Jahr eine positive Bilanz seines Wirkens ziehen.

Das Landschulheim

Schüler der 9. Klasse

Angelika und Astrid

Wie in jedem Jahr gingen dem Treffen Foren in verschiedenen Schulen voraus. So waren jeweils zwei “Lebensborn”kinder in dem Landschulheim “Grovesmühle” in Veckenstedt, der Europa- und Goethe-Sekundarschule in Ilsenburg sowie dem Gymnasium “Am Thie” in Blankenburg. Für die Schüler und Lehrer sowie die aus ihrem Leben berichtenden “Lebensborn”kinder war dies ein besonderes Erlebnis.

Aus Anlass des 10jährigen Jubiläums begann das Treffen mit einem kleinen Festakt im neugestalteten Festsaal des Rathauses Wernigerode. Leider mussten der Schirmherr des Jahrestreffens, der Minister für Inneres und Sport, Holger Stahlknecht, sowie der Landrat des Harzkreises, Martin Skiebe, ihre Teilnahme aus terminlichen Gründen absagen. So begrüßte Wernigerodes Oberbürgermeister, Peter Gaffert, die Anwesenden und hob die Bedeutung des Vereins hervor. Die Stadt, so der Oberbürgermeister, stehe auch zu diesem Teil deutscher Geschichte und ist den Mitgliedern des Vereins dankbar für ihr Engagement. Besondere Würdigung fanden in seiner Rede die Foren, die die “Lebensborn”kinder als Zeitzeugen einer “schlimmen Zeit” mit den Schülern und Jugendlichen.

Wernigerodes Oberbürgermeister Peter Gaffert

Claudia Meißner sorgte für die musikalische Umrahmung

Dr. Georg Lilienthal

Dr. Georg Lilienthal ging in seinem Beitrag auf das Schicksal der “Lebensborn”kinder ein. Er umriss in knappen Worten das Wesen und Wirken des SS-Vereins im Kontext der nationalsozialistischen Rassenpolitik. In eindrucksvollen Worten schilderte er die psychischen Folgen der in den “Lebensborn”heimen Geborenen und deren Suche nach dem eigenen Ich, das neben der Suche nach den biologischen Wurzeln auch immer wieder Zweifel und Selbstzweifel, Hoffnungen und Enttäuschungen einschloss. Deutliche Worte fand er für die Medienvertreter, die der Beschreibung des „Lebensborn“ als einer Zuchtanstalt glauben und denken, sich nicht intensiver mit den Fakten auseinandersetzen zu müssen. “Sie geben sich zufrieden mit der moralischen Empörung. Sie halten damit in Wirklichkeit Distanz zu diesem Kapitel nationalsozialistischer Verbrechen, zu Opfern und Tätern, zu den Fragen nach Schuld und Verantwortung. Sie schildern das Nachkriegsschicksal der „Lebensborn“-Kinder aus der Sicht des „Lebensborn“-Programms und betrachten die Kinder als Illustration einer gescheiterten Zuchtutopie bzw. als letzte Überbleibsel einer pervertierten Ideologie mit Seltenheitswert. Die Perspektive der Kinder ist dagegen den Medienvertretern im Grunde fremd. Sie stehen deren Schicksal meist verständnislos gegenüber, das vom „Lebensborn“ manipuliert wurde mit der Folge, dass ihre von ihren Müttern und Vätern verletzten Seelen bis heute offene Wunden davontragen.” (Auszug aus der Rede von Dr. Lilienthal). Er schloss seinen Redebeitrag mit zwei Gedichten, die zeigen, dass durch die Betroffenen in der schriftlichen Auseinandersetzung mit dem eigenen Schicksal versucht wurde, sich ein wenig Linderung für die Entbehrungen und Leiden der Kindheit zu verschaffen. Das erste dieser Gedichte stammt aus dem im April 2015 erschienenen Buch “Verschwiegene Opfer der SS”. Es trägt den Titel “Vater mein”, welches die Gefühlslage vieler “Lebensborn”kinder zum Ausdruck bringt.

Der 1. Vorsitzende, Matthias Meißner, versuchte abschließend noch einmal ein Bild von der Entstehung des Vereins und seiner Entwicklung nachzuzeichnen. Dabei hob er das Engagement vieler Mitglieder hervor, die auch trotz ihren mit Rückschlägen und Enttäuschungen geprägten Lebenserfahrungen bereit waren, innerhalb des Gemeinschaft Verantwortung zu übernehmen. Letztlich ist der Verein, auch wenn die Entwicklung nicht immer ganz einfach war, an den in seiner Satzung selbst gestellten Aufgaben und Ziele gewachsen und hat wesentlich dazu beigetragen, dass auch über dieses Thema in der Öffentlichkeit sachlich informiert wird. Mit dem Entgegentreten gegenüber dem Sensationsjournalismus, falscher Darstellungen des “Lebensborns” oder eben auch der “Entpolitisierung” dieses Vereins hat der Verein immer wieder deutlich seine Stimme erhoben. Auch weiterhin werden die Hilfe der “Lebensborn”kinder bei der Suche nach ihren biologischen und sozialen Wurzeln wie auch die geschichtliche Aufarbeitung im Mittelpunkt der Arbeit des Vereins stehen. Der weitere Aufbau des eigenen Archives und der Bibliothek kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu. Sie werden auch in der Zukunft ein Grundstock für die Erinnerung und Mahnung an eine menschenverachtende und nationalsozialistische Rassenpolitik sein.

Referent Christoph Schwarz

Ausstellungsbesuch am Sonntagvormittag

Vortrag in der Remise am Sonnabendnachmittag

Am Sonnabendnachmittag referierte Christoph Schwarz über die Ausstellung “geraubte Kinder – vergessene Opfer”, die bereits seit dem 31.08.2015 in der Mahn- und Gedenkstätte am Veckenstedter Weg in Wernigerode zu sehen war. Der “Lebensborn” war für die Eindeutschung von Kindern mit arischen Merkmalen aus den vom Dritten Reich besetzten europäischen Gebieten zuständig. In der gutgefüllten Remise zeigte Schwarz an einigen Einzelschicksalen auf, wie diese Kinder ihren Familien entrissen und unter körperlicher Züchtigung zu “guten arischen Kindern” erzogen werden sollten. In dem Vortrag wurden auch Mitglieder und Freunde des Vereins benannt. Die Schicksale von Folker Heinecke, Herrman Lüdeking oder Barbara Pacziakowicz stehen stellvertretend für die Kinder, die vom “Lebensborn” vereinnahmt wurden. Offen bleibt nach wie vor das Schicksal tausender Kinder, die zunächst für die Eindeutschung vorgesehen waren, aber nach der rassischen Untersuchung wieder selektiert wurden. Betroffen machen solche Kinderschicksale wie die der Kinder von Lidice, von denen die meisten der 60 vorausgesuchten Kinder dann doch noch ermordet wurden. Unverständlich erscheint die Reaktion der Bundesregierung auf die Forderung nach Entschädigungszahlungen. Der Bundesfinanzminister, Wolfgang Schäuble, lehnte eine solche unter anderem mit der Begründung ab, “… dass nicht Jeder einen Rechtsanspruch auf eine Entschädigung haben könne, nur weil er bei anderen Eltern aufgewachsen ist”.  Am Sonntag besuchten die Teilnehmer des Jahrestreffens dann die Ausstellung in der Gedenkstätte und sahen sich dabei auch den 1 1/2 stündigen Film an.

Am Sonnabend fanden sich die Teilnehmer des Jahrestreffens dann schon traditionsgemäß zum gemeinsamen Abendessen in der Tenne des Wernigeröder Kartoffelhauses ein. Bei einem kalt – warmen Buffet und zwangloser und lockerer Atmosphäre gab es viel Gelegenheit sich individuell auszutauschen und auch Einiges über neue Mitglieder zu erfahren. Diese Abende sind für viele Mitglieder ebenso wichtig wie die Vorträge und Diskussionsrunden.

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