Das war das 19. Jahrestreffen der „Lebensborn“-Kinder in Deutschland 2023
Am ersten Maiwochenende des Jahres 2023 fand die 19. Jahrestagung der „Lebensborn“-Kinder in Deutschland statt. Auf Grund des fortschreitenden Lebensalters der „Lebensborn“-Kinder konnte erstmals kein Schülerforum an Schulen der Stadt bzw. ihres Umlandes angeboten werden. Für viele von ihnen, die bisher mit den Schülern ins Gespräch kamen, ist indessen eine Anreise zum Jahrestreffen nicht mehr möglich. Dieser Fakt beeinflusste auch die Planung, so dass im Gegensatz zum Jahr 2022 das Programm auf zwei Tage reduziert und somit minimiert wurde. Ziel ist es aber, künftig wieder mehr Veranstaltungen unter Einbeziehung der Öffentlichkeit anzubieten.
Auch dieses Mal konnte die Eröffnungsveranstaltung leider nicht im Rathaus Wernigerode durchgeführt werden, da der Saal wie im Jahr zuvor wegen notwendiger Bauarbeiten nicht zur Verfügung stand. So startete die Tagung in der Remise des Kunst- und Kulturvereins Wernigerode. Zu unserer besonderen Freude war die Schirmherrin, die Europaabgeordnete der GRÜNEN, Viola von Cramon, anwesend und überbrachte persönlich ihre Grüße an die Teilnehmer.
Der darauffolgende Vortrag von Wolfgang Schilling: „NAPOLA. Verführte Elite im Harz“ bildete eine Fortsetzung des Vortrages zur 16. Jahrestagung. Angereichert mit vielen neuen Erkenntnissen informierte der Referent insbesondere über die Anstalten in Ballenstedt und Ilfeld. Durch den Bezug auf eine ganze Reihe persönlicher Gespräche und Interviews von Wolfgang Schilling mit ehemaligen Schülern sowie seiner Einordnung der Bedeutung dieser Schulen in den gesellschaftlichen Kontext gelang es, die allgemeinen Erkenntnisse über die NAPOLA’ s mit persönlichen Schicksalen zu verbinden und dabei auch die Motivationslage zwischen Euphorie, Drill und psychischer Belastung aufzuzeigen.
Fragen nach der Verstrickung der eigenen Familie in die Verbrechen der Nationalsozialisten oder auch insbesondere in den Holocaust beschäftigen auch oft „Lebensborn“-Kinder. Mitunter haben sich deren biologische Eltern oder auch Adoptiveltern an diesen beteiligt und somit ein schweres Erbe hinterlassen, das sich als Trauma in die Psyche eingebrannt hat.
Am Samstagnachmittag stellte Frau Prof. Dr. Angela Moré ein Buch eines Mannes vor, der in Kanada geboren, wohin seine Eltern nach dem Krieg ausgewandert und der mit einer Jüdin verheiratet ist, sich gerade dieser Frage widmen muss. Die Verstrickung seines einst geliebten Opas im Dritten Reich, der mehr als nur ein Mitläufer des Systems war, beschäftigte Roger Frie so sehr, dass er sich entschloss, seine innere Zerrissenheit, das Problem der alltäglichen Verdrängung ungeliebter Fragen nach der Vergangenheit und seine persönliche Betroffenheit in einem Buch niederzuschreiben. Der Titel „Nicht in meiner Familie“ steht symbolhaft für die Aussagen vieler Deutscher im Nachkriegsdeutschland. Sein Appell, nicht zu verdrängen, sondern sich der Geschichte der eigenen Familie zu stellen und diese aufzuarbeiten, richtet sich an alle.
Mit einem gemeinsamen Abendessen und einer gemütlichen Gesprächsrunde am Samstagabend fand die Tagung ihren Abschluss.